Bücherverbrennung Schriftsteller
E. Kästner: „Bei Verbrennung meiner Bücher“, aus: Kästner für Erwachsene, herausgegeben von Rudolf Walter Leonhardt, Frankfurt/M. 1966
„Ich stand vor der Universität eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners. Begräbniswetter hing über der Stadt. Der Kopf einer zerschlagenen Büste Magnus Hirschfelds stak auf einer langen Stange, die, hoch über der stummen Menschenmenge, hin und her schwankte. Es war widerlich. (…) Die Bücher flogen weiter ins Feuer. Die Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners ertönten weiterhin. Und die Gesichter der braunen Studentengarde blickten, den Sturmriemen unterm Kinn, unverändert geradeaus, hinüber zu dem Flammenstoß und zu dem psalmodierenden, gestikulierenden Teufelchen. In dem folgenden Jahrdutzend sah ich Bücher von mir nur die wenigen Male, die ich im Ausland war. In Kopenhagen, in Zürich, in London. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, ein verbotener Schriftsteller zu sein und seine Bücher nie mehr in Buchläden zu sehen. In keiner Stadt des Vaterlandes. Nicht einmal in der Heimatstadt. Nicht einmal an Weihnachten, wenn die Deutschen durch die verschneiten Straßen eilen, um Geschenke zu besorgen. Zwölf Weihnachten lang! Man ist lebender Leichnam.“
A. Zweig: „Rückblick auf Barbarei und Bücherverbrennung“
Berlin 14. Mai 1933
„Gegen zehn fing es an zu regnen, schließlich zu gießen, einzelne Schirme wurden entfaltet. (…) [Ich] war schadenfroh wegen des nassen Holzes und hörte die einzelnen Meinungen, womit man die ‚Biecher‘ tränken würde, damit sie wohl brennten. (…) Dann kam der Zug sehr häßlicher Mädchen, mit roten Nasen, Haarsträhnen und giftigem Gesicht. Sie latschten mit Musikbegleitung, ziemlich klitschnaß und bibbernd über den Platz. Nach einer weiteren Stunde ein Zug Studenten, sehr schlapp, sehr häßlich aussehend, mufflig und in zufriedenem Trott, viele, viele, viele, mit Fackeln; Jungens und Kinder mit Fahnen. Jeder, der an dem preußischen Scheiterhaufen vorbeikam, schmiß seine pechgetränkte Fackel hinein; das Feuer lohte hoch auf, bis zur Höhe des ersten Stockwerks vom Kronprinzenpalais. Ich schadenfroh über Blamage vorm Ausland! Dann schleuderten sie in Riesenbögen die Fackeln hoch durch die Luft, die ganze Zeit erklang eine mystisch-düstere Musik in Moll. Jetzt rückten hinten drei Autos an, auf denen stand: „Möbelfuhre“. Das waren die Revolutionskarren mit den Opfern. Die Studenten saßen und standen bis aufs Dach dieser Karren, zum Teil in Wichs – bengalisch beleuchtet und gefilmt! Richtig Riesengaudi. Schließlich um Mitternacht, wegen der Stimmung, ergriffen sie die Bücher und schmetterten sie einzeln mit Wollust ins Feuer. Die Funken stoben haushoch, und die einzelnen Blätter taumelten brennend durch die Luft, als spotteten sie über diesen Tod. (…) Dann kam eine Rede von Goebbels mit dröhnendem Lautsprecher. (…) Dies Volk hätte genauso zufrieden glotzend gestanden, wenn sie die lebendigen Menschen verbrannt hätten. Dann ging alles müde, satt und auf seine Kosten gekommen nach Hause. Als Finale wurde natürlich noch das Horst-Wessel-Lied mit hochgehobener Hand angestimmt. Ich als einziger, zwischen Tausenden eingeklemmt, sang weder noch hob den Arm vor den vorbeiziehenden Hakenkreuzfahnen. Ich dachte, es ist mir schnuppe, und wenn die mich lynchen, ich hebe meinen Arm nicht und singe nicht. Aber mir war nun ganz klar geworden, daß an ein hierbleiben nicht mehr zu denken war. Daß wir gehen müssen. Wohl oder übel…“
Oskar Maria Graf: „Verbrennt mich“
Wie fast alle links gerichteten, entschieden sozialistischen Geistigen in Deutschland, habe auch ich etliche Segnungen des neuen Regimes zu spüren bekommen:
Während meiner zufälligen Abwesenheit aus München erschien die Polizei in meiner dortigen Wohnung, um mich zu verhaften. Sie beschlagnahmte einen großen Teil unwiederbringlicher Manuskripte, mühsam zusammengetragenes Quellenstudien-Material, meine sämtlichen Geschäftspapiere und einen großen Teil meiner Bücher. Das alles harrt nun der wahrscheinlichen Verbrennung. Ich habe also mein Heim, meine Arbeit und – was am Schlimmsten ist – die heimatliche Erde verlassen müssen, um dem Konzentrationslager zu entgehen.
Die schönste Überraschung aber ist mir erst jetzt zuteil geworden: Laut „Berliner Börsencourier“ stehe ich auf der „weißen Autorenliste“ des neuen Deutschlands, und alle meine Bücher, mit Ausnahme meines Hauptwerkes „Wir sind Gefangene“, werden empfohlen: Ich bin also dazu berufen, einer der Exponenten des „neuen“ deutschen Geistes zu sein!
Vergebens frage ich mich: Womit habe ich diese Schmach verdient?
Das „Dritte Reich“ hat fast das ganze deutsche Schrifttum von Bedeutung ausgestoßen, hat sich losgesagt von der wirklichen deutschen Dichtung, hat die größte Zahl seiner wesentlichsten Schriftsteller ins Exil gejagt und das Erscheinen ihrer Werke in Deutschland unmöglich gemacht.
Die Ahnungslosigkeit einiger wichtigtuerischer Konjunkturschreiber und der hemmungslose Vandalismus der augenblicklich herrschenden Gewalthaber versuchen all das, was von unserer Dichtung und Kunst Weltgeltung hat, auszurotten und den Begriff „deutsch“ durch engstirnigsten Nationalismus zu ersetzen. Ein Nationalismus, auf dessen Eingebung selbst die geringste freiheitliche Regung unterdrückt wird, ein Nationalismus, auf dessen Befehl alle meine aufrechten sozialistischen Freunde verfolgt, eingekerkert, gefoltert, ermordet oder aus Verzweiflung in den Freitod getrieben werden.
Und die Vertreter dieses barbarischen Nationalismus, der mit Deutschsein nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hat, unterstehen sich, mich als einen ihrer „Geistigen“ zu beanspruchen, mich auf ihre so genannte „weiße Liste“ zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze Liste sein kann!
Diese Unehre habe ich nicht verdient!
Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!
Alle anständigen Zeitungen werden um Abdruck dieses Protestes ersucht.
Oskar Maria Graf