Ein entscheidender Schritt auf dem Weg in die Reichskanzlei
Ein entscheidender Schritt auf dem Weg in die Reichskanzlei – Hitlers Unterredung mit Franz von Papen am 4. Januar 1933
Reiner Zilkenat
4. Januar 1933, vormittags um 10:30 Uhr. Vier Männer nähern sich raschen Schrittes der Villa des Bankiers Kurt von Schröder im Stadtwaldgürtel Nr. 35 in Köln. Schnell eilen sie die Stufen zur Haustür hinauf, wo sie bereits erwartet werden. Ein kleiner Zwischenfall ist allerdings von niemandem vorhergesehen worden. Ein Journalist namens Johannsen hat in unmittelbarer Nähe des Schröderschen Anwesens gewartet und fotografiert die Besucher, die ihre Aufwartung vor der Öffentlichkeit unter allen Umständen geheim halten wollen. Am nächsten Tag kann man in der „Täglichen Rundschau“ lesen, einer Berliner Tageszeitung, die dem Reichswehrministerium nahe steht: Hitler und von Papen hätten eine geheime Unterredung in der Villa des Bankiers Kurt von Schröder gehabt, Thema sei die Kanzlerschaft Adolf Hitlers gewesen.
Seither spielt diese Zusammenkunft eine wichtige Rolle in den Debatten über die Vorgeschichte der Berufung des Nazi-„Führers“ zum Reichskanzler. War sie ohne größere Bedeutung für den späteren Gang der Ereignisse oder stellte sie den strategischen Durchbruch für die Entscheidungen am 30. Januar 1933 dar? Im Kern geht es um den Anteil mächtiger Exponenten des deutschen Großkapitals an der Konstituierung eines faschistischen Regimes. Deshalb auch die Versuche der bürgerlichen Geschichtswissenschaft, den Platz der Unterredung herunterzuspielen und sie aus dem Kontinuum der seit Monaten eskalierenden Bemühungen von Vertretern der Großindustrie und der Bankenwelt, Reichspräsident Paul von Hindenburg zu veranlassen, Hitler endlich zum Reichskanzler zu berufen, herauszulösen.
Um die Fragen beantworten zu können, die das Treffen am 4. Januar 1933 und seine Vorgeschichte aufwerfen, stehen erfreulicher Weise nicht wenige Quellen im Bundesarchiv sowie umfangreiche Befragungsprotokolle zur Verfügung, die Vernehmungen Kurt von Schröders durch US-amerikanische Offiziere nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentieren. Doch zunächst ist es nötig, sich die politische Lage um die Jahreswende 1932/33 zu vergegenwärtigen.
Die Reichstagswahlen vom November 1932 – NSDAP verliert 34 Mandate
Die Ergebnisse der Reichstagswahlen am 6. November 1932 hatten die NSDAP und ihre großindustriellen Förderer zutiefst enttäuscht. Zwei Millionen Stimmen, mehr als vier Prozentpunkte und 34 Mandate waren seit der vorangegangenen Wahl im Juli desselben Jahres verlorengegangen. Zwar stellte die faschistische Partei unverändert die stärkste Fraktion im Reichstag. Der unaufhaltbar scheinende Aufstieg der Nazis in der Wählergunst schien allerdings gebrochen.
Innerhalb der faschistischen Partei breiteten sich Enttäuschung und Ernüchterung aus. Die finanzielle Lage der NSDAP war nach den im Juli und November durchgeführten Reichstagswahlen, den Wahlen zum Preußischen und zum Bayerischen Landtag im April und den beiden Wahlgängen der Reichspräsidentenwahl im März und April 1932 außerordentlich prekär. Aber nur zwei Tage nach den Reichstagswahlen, am 8. November 1932, redigierten in der Zentrale der Commerzbank in der Berliner Behrenstraße Großindustrielle und Bankiers unter der Führung des ehemaligen Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht eine Eingabe an Reichspräsident von Hindenburg, in der die Berufung Hitlers zum Reichkanzler gefordert wurde. (siehe jw vom 18.5.2012). Noch war es jedoch nicht soweit.
„…Tatsache, dass fast die gesamte Industrie die Berufung Hitlers wünscht“
Bemerkenswerter Weise bröckelte die Zustimmung für die Politik der NSDAP und Adolf Hitler persönlich nach der Wahlniederlage vom 6. November 1932 bei den Herren der Industrie- und Bankenwelt keineswegs ab. Im Gegenteil. Ihre im „Keppler-Kreis“ organisierten Exponenten stießen bei ihren Bemühungen, Hitler endlich zum Reichskanzler zu berufen, auf mehr Resonanz denn je. Zugleich schwand die Zustimmung zu den nur kurze Zeit amtierenden Reichskanzlern Franz von Papen und General Kurt von Schleicher. (siehe jw vom 2.6. und 3.12.2012).
In einer vertraulichen Aktennotiz vom 26. November 1932 für Dr. Franz Bracht, Reichsminister ohne Geschäftsbereich im Kabinett Papen und stellvertretender Reichskommissar in Preußen, hieß es am 26. November 1932:
„Die Tagung des Langnamvereins in Düsseldorf…ergab anlässlich der zwanglosen Unterhaltung die interessante Tatsache, dass fast die gesamte Industrie die Berufung Hitlers, gleichgültig unter welchen Umständen, wünscht. Während man noch vor wenigen Wochen Papen zugejubelt hat, ist man heute der Auffassung, dass es der größte Fehler sei, wenn Hitler, auch unter Vorbringung ernster Gründe, nicht mit der Regierungsbildung beauftragt würde.“1 Übrigens: Der so genannte Langnamverein (Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen) zählte seit seiner Gründung im Jahre 1871 zu den einflussreichsten industriellen Interessenverbänden in Deutschland; er stellte gewissermaßen den regionalen Ableger des Reichsverbandes der Deutschen Industrie an Rhein und Ruhr dar.
Gefragt war in dieser Situation vor allem das Handeln derjenigen Industriellen und Bankiers, die bereits seit längerer Zeit die NSDAP politisch und materiell unterstützen. Sie waren jetzt gefordert, unter Ihresgleichen eine möglichst breite und stabile Unterstützung für die Errichtung einer faschistischen Diktatur zu organisieren.
Und es zeigte sich: Man ließ sich nicht lumpen, um zunächst die leeren Kassen der NSDAP mit Bargeld zu füllen. Der weltweit agierende Eisen- und Stahlhändler Otto Wolff, zugleich einer der größten Anteilseigner der Vereinigten Stahlwerke und Mehrheitsaktionär der Mansfeld AG, übermittelte am 21. November 1932 25.000 RM an die Nazipartei, die er in diesem Jahr mit insgesamt 160.800 RM alimentiert hatte.2 Die Transaktionen wurden offensichtlich in bar über den preußischen Landtagsabgeordneten Dr. Robert Ley, den späteren Leiter der so genannten Deutschen Arbeitsfront, abgewickelt.3
In der Regel spielten sich solche Überweisungen unter Wahrung strengster Vertraulichkeit ab, so dass in den Akten nur selten konkrete Zahlen überliefert worden sind. Immerhin können wir einem Schreiben von Wilhelm Keppler, dem Leiter eines nach ihm benannten Kreises von Industriellen und Bankiers für die wirtschaftspolitische „Beratung“ Hitlers, an Kurt von Schröder vom 21. Oktober 1932 entnehmen, dass ein „Finanz-Gremium“ existierte, das die NSDAP mit finanziellen Mitteln versorgte. Namentlich genannt wird Friedrich Reinhart, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank und Mitglied in mehr als dreißig Aufsichtsräten, als ein Mitglied dieses klandestin tagenden Zirkels.4 Dieser Sachverhalt ist nicht ohne eine gewisse Pikanterie: Seit der Bankenkrise im Sommer 1931 ist das Reich mit 70 Prozent am Aktienkapital der Commerzbank beteiligt, die ohne die damals erfolgten staatlichen Hilfsmaßnahmen zahlungsunfähig gewesen wäre.
Bei der Deutschen Bank wurden Zahlungen an Parteien und andere Organisationen mit dem Vermerk „Diverse Angelegenheiten des Sekretariats“, bei der Berliner Handels-Gesellschaft unter der Überschrift „Zu Lasten Verwaltungskosten-Centrale“ abgewickelt. Bei früheren Reichstagswahlen wurden u.a. ein „Bank- und Industrie Fonds“, ein „Konsortium Berlin für Industriewerte“, ein „Kuratorium für den Aufbau des deutschen Wirtschaftslebens“ und ein „Interventionskonsortium“ aktiv, die ihre Gelder zum Teil nach einem festgelegten Schlüssel vor allem von den Großbanken erhielten und sie dann an Parteien und einzelne Kandidaten vergaben. Überliefert sind nach bisherigem Kenntnisstand Einladungen in den Eichensaal der Zentrale der Deutschen Bank in der Berliner Mauerstraße jedoch nur bis Mitte der zwanziger Jahre, wo offenbar die Einzelheiten vieler derartiger Finanztransaktionen entschieden wurden.5
Neben der finanziellen Unterstützung der NSDAP war die politische Förderung durch ihre großindustriellen Alliierten von entscheidender Bedeutung. In den Monaten von November 1932 bis Januar 1933 ging es vor allem darum, Franz von Papen zu veranlassen, mit dem Posten eines Vizekanzlers in einem Kabinett Hitler Vorlieb zu nehmen und den zögernden Reichspräsidenten Paul von Hindenburg endlich davon zu überzeugen, den „Führer“ der faschistischen Partei als Reichskanzler zu berufen. Hierbei kam von Papen, der das Vertrauen des Reichspräsidenten genoss, eine Schlüsselstellung zu.
Abgeschirmt vor der Öffentlichkeit beginnen hektische Aktivitäten mit dem Ziel, ein Treffen zwischen Hitler und von Papen zu arrangieren, bei dem die Modalitäten einer Kanzlerschaft des Nazi-„Führers“ und die Zusammensetzung sowie das Programm eines von ihm geleiteten Kabinetts ausgehandelt werden sollten.
„…Besprechungen nehmen einen angenehmen und erfreulichen Verlauf“
Es waren einige Mitglieder des Keppler-Kreises, die jetzt das Heft des Handelns übernahmen und dabei um die Unterstützung weiterer Großindustrieller und Bankiers bemüht waren. Es handelte sich dabei um folgende Herren: Friedrich Reinhart, von dem bereits die Rede war. Seine Rolle wurde dadurch noch aufgewertet, dass er gute Beziehungen zu Hindenburgs Sohn Oskar pflegte, von dem es hieß, er beeinflusse seinen Vater nachhaltig in wichtigen politischen Angelegenheiten. Ewald Hecker, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Hannover, war Aufsichtsratsvorsitzender der Ilseder Hütte, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank und Duzfreund Franz von Papens. Beide hatten zu Beginn des Ersten Weltkrieges zeitgleich in den USA als Militärattaché (Papen) bzw. Delegierter des Deutschen Roten Kreuzes gedient und sich dabei offenbar geheimdienstlich betätigt. Dr. Albert Vögler, Präsidiumsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, war Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Stahlwerke, Aufsichtsratsvorsitzender der Gelsenkirchener Bergwerks-AG, Aufsichtsratsmitglied bei den Siemens-Schuckert-Werken sowie bei Siemens und Halske. Kurt Freiherr von Schröder, Mitinhaber des Bankhauses J.H. Stein in Köln, hatte ebenso wie Franz von Papen und der seit Dezember 1932 amtierende Reichskanzler Kurt von Schleicher während des Ersten Weltkrieges zeitweilig im Großen Generalstab gedient. Dass er zudem mit Kurt von Schnitzler, Vorstandsmitglied der IG-Farben, verschwägert war, erhöhte seine Bedeutung.
Organisatorisch hielt Wilhelm Keppler die Fäden in der Hand. Auch der ehemalige Reichbankpräsident Hjalmar Schacht stand den genannten Herren hilfreich zur Seite.
Bereits am 13. November 1932 konnte Keppler Kurt von Schröder in einem Brief Erfreuliches mitteilen: „Herr Hecker konnte von seinem Besuch bei Herrn von Papen uns berichten, dass dort der gute Wille vorliege, sich auf eine Regierung unter der Kanzlerschaft Hitlers zu einigen…Wir konnten feststellen, dass die Berliner Börsenzeitung, die Deutsche Allgemeine Zeitung und die Hamburger Nachrichten für eine Kanzlerschaft Hitlers eintreten werden, so dass auch eine entsprechende Resonanz da sein wird…Die ganzen Besprechungen nehmen einen durchaus angenehmen und erfreulichen Verlauf.“6
Zwei Probleme tauchten bei den Werbungen zugunsten eines zu installierenden Kabinetts Hitler auf: Zum einen die antikapitalistisch klingende Propaganda des Reichsorganisationsleiters der NSDAP, Gregor Strasser, und von Gottfried Feder, der als „Chefideologe“ der faschistischen Partei galt. Zum anderen wollten sich einige der angesprochenen Herren nicht öffentlich zugunsten Hitlers exponieren. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass sie, wie zum Beispiel die Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG), Deutschlands größte Reederei, auf staatliche Subventionen angewiesen waren und die amtierende Reichsregierung deshalb nicht desavouieren wollten.
Das erste Problem wurde im Dezember 1932 durch die Ersetzung Strassers durch Robert Ley und die Entmachtung Feders aus der Welt geschafft. Die fehlende öffentliche Stellungnahme etwa von Wilhelm Cuno (ehemaliger Reichkanzler) und Dr. Leisler Kiep, Vorstandsmitglieder der HAPAG, konnte insoweit kompensiert werden, indem sie intern ihre Zustimmung zur Machteinsetzung der NSDAP erklärten.
Vier Wochen später begannen die konkreten Vorbereitungen des Treffens im Hause von Schröder. Keppler schrieb an den Kölner Privatbankier am 19. Dezember 1932: „Falls die Besprechung in Ihrem Hause in Köln sein sollte…, müsste man den Zeitpunkt so wählen, dass der Führer bei Dunkelheit dort an- und abfahren könnte. Man müsste eine genaue Beschreibung des Weges zu Ihrer Wohnung nach München übermitteln, denn es ist unbedingt notwendig, dass an diesem Zusammentreffen nichts nach außen bekannt wird.“7 Zum Unglück für die Beteiligten erhielt Reichskanzler von Schleicher offenbar über Informanten Kenntnis vom geplanten Gesprächstermin, so dass er die Redaktion der „Täglichen Rundschau“, derer er sich während seiner Zeit als Reichswehrminister häufig zu bedienen pflegte, anweisen konnte, die Öffentlichkeit bereits einen Tag später über das Treffen zwischen Hitler und von Papen zu informieren.
„Hitler ist bester Laune und offensichtlich zufrieden mit dem Gang der Dinge“
Im Vorfeld des Treffens am 4. Januar 1933 fanden verschiedene Beratungen mit Großindustriellen, vor allem an Rhein und Ruhr, statt, um die Basis eines zukünftigen Kabinetts Hitler-Papen unter den „Schlotbaronen“ auszuloten. Auch Kurt von Schröder traf wenige Tage zuvor noch einmal mit von Papen zusammen, um ihm den letzten Stand der Meinungsbildung bei den Ruhrindustriellen zu übermitteln. Am Ende wurde das Treffen, zu dem Hitler Wilhelm Keppler, seinen Stellvertreter Rudolf Heß und Heinrich Himmler mitbrachte, ein voller Erfolg. Hitler sei „bester Laune und offensichtlich recht zufrieden mit dem Gang der Dinge“8, schrieb Keppler an von Schröder am 12. Januar. Einen Tag zuvor hatte Hitler mit Hjalmar Schacht ein weiteres Gespräch zur Vorbereitung der Regierungsbildung, nachdem er bereits am 5. Januar mit den beiden „großen alten Männern“ im Revier, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Vereinigten Stahlwerke, Fritz Thyssen, und dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Gelsenkirchner Bergwerks AG, Emil Kirdorf, beide langjährige enge Vertraute und Finanziers Hitlers, konferiert hatte. Kurt von Schröder informierte u.a. am 8. Januar bei einer geselligen Runde im Hause Fritz Springorums in Dortmund den Hausherren, Vorsitzender des bereits erwähnten Langnam-Vereins und Vorstandsvorsitzender der Hoesch AG, Paul Reusch, Präsidiumsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte AG und Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Präsident des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, und Albert Vögler über das Ergebnis der Besprechung zwischen Hitler und von Papen. Ein Widerspruch gegen die Installierung einer faschistischen Diktatur wurde offensichtlich nicht formuliert. Am 30. Januar 1933 war dann auch endlich der Reichspräsident bereit, Adolf Hitler zum Reichkanzler zu ernennen, nachdem in Joachim von Ribbentrops Dahlemer Villa in der Lentzeallee vom 10. bis zum 27. Januar insgesamt fünf Unterredungen zwischen dem „Führer“ der faschistischen Partei, dem Reichstagspräsidenten Hermann Göring, dem NSDAP-Fraktionsvorsitzenden Wilhelm Frick, Hindenburgs Sohn Oskar, dem Staatssekretär im Reichspräsidialamt Otto Meißner sowie Franz von Papen stattgefunden hatten. Hier ging es um die Einzelheiten der Machteinsetzung Hitlers. Gerüchten zufolge drohte Hitler Oskar von Hindenburg damit, finanzielle Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Schenkung des Gutes Neudeck an den Reichspräsidenten zu veröffentlichen, falls er ihn nicht zum Reichskanzler berufen werde.
Das „Kölner Gespräch“ am 4. Januar war bei der Vorbereitung des faschistischen Regimes einer der wichtigsten Meilensteine, wobei vor allem die endgültige Akzeptanz der Kanzlerschaft Hitlers durch die Deutschnationalen und bedeutende Teile der Großindustrie aktenkundig wurde. Von besonderer Bedeutung war umgekehrt die Bereitschaft des faschistischen „Führers“, sich zunächst durch deutschnationale Minister „einrahmen“ zu lassen, darunter Franz Seldte, den „1. Bundesführer des Stahlhelms“, den amtierenden Reichsaußenminister Constantin Freiherr von Neurath sowie den Vorsitzenden der Deutschnationalen Volkspartei Alfred Hugenberg. Franz von Papen sprach immer wieder davon, dass Hitler hierdurch „in die Ecke gedrückt“ werde würde, bis er „quietsche“. Wie sich bald herausstellen sollte, eine völlig lebensfremde Illusion.
Vor allem über den Kurs auf die Errichtung einer auf lange Frist angelegten Diktatur mit der dauerhaften Ausschaltung des Reichstages und der Länder- Parlamente, der Zusammenlegung von Reichs- und Preußischen Ministerien sowie dem Verbot der Arbeiterparteien und Gewerkschaften und ihrer Publikationsorgane wurde Konsens erzielt. Unstrittig zwischen Hitler und Papen war der Kurs auf eine forcierte Aufrüstung der Reichswehr, wobei die Bestimmungen des Versailler Vertrages, der dem deutschen Militär enge Grenzen setzte, außer Acht gelassen werden sollte. In einem ersten Schritt sollte die Mannschaftsstärke von 100.000 auf 300.000 Mann angehoben werden. Vereinbart wurden ferner die Schaffung eines obligatorischen „Reichsarbeitsdienstes“ und die Organisierung groß dimensionierter Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung. Soviel zu den Konturen des am 4. Januar skizzierten Regierungsprogramms.
Ein Jahr später telegraphierte der Reichsführer-SS Heinrich Himmler an Kurt von Schröder, dass hier die „Grundlage für die umwälzenden Geschehnisse des letzten Jahres gelegt wurde“.9 Dem gilt es, nichts hinzuzufügen.
Aus einem Brief Fritz Thyssens an Max Schlenker, Hauptgeschäftsführer des Langnam-Vereins vom 11. November 1932
„Der Nationalsozialismus kennt nur einen Führer, dessen Gedankengut das Fundament der Bewegung darstellt und der allein berufen ist, über alle Kompromisse und Hindernisse hinweg Deutschland die Staatsform zu geben, die nach menschlichem Ermessen allein imstande ist, dem Umsturz und der Vernichtung der europäischen Civilisation die Stirn zu bieten. Täuschen wir uns darüber nicht, die Ereignisse sind zu weit vorangeschritten, als ob es noch Möglichkeiten für Kompromisse grundsätzliche Art gäbe. Das wahre Gedankengut des Nationalsozialismus in die Tat umzusetzen, vermag nur Adolf Hitler.(…) Einigt man sich auf Hitler als Kanzler – eine andere Lösung würde für seine Anhänger untragbar sein – so glaube ich, rein persönlich gesprochen, dass man sich über die Ziele seiner Politik, wobei meiner Ansicht nach nur die wirtschaftliche Politik einige Schwierigkeiten bietet, einigen könnte.“
BArch, N 2035/2, Bl.130.
Aus den streng vertraulichen Lageberichten des Alldeutschen Verbandes vom 17. November 1932 und vom 1. Februar 1933
„Die 100 Mandate der KPD bedeuten weit mehr als die 121 der SPD; denn jede Woche verschiebt sich das Verhältnis weiter zu Ungunsten der SPD. Die Führung der SPD ist hilflos und unsicher, die Radikalisierung der SPD von innen heraus schreitet fort. Zum ersten Mal seit 1918 ist die Führung innerhalb des gesamten Marxismus klar an die KPD übergegangen“
BArch, R 8048/551, Bl.149.
„Wie im 1. Akte des Tannhäuser der Venusberg mit Zauberschlag versinkt und der Betrachter in eine Frühlingslandschaft schaut, so versank vor der erstaunten Öffentlichkeit plötzlich das Kabinett Schleicher, während aus unbekannter Tiefe der allzu oft totgesagten Harzburger Front empor stieg. Eine höchst erfreuliche Wandlung!“
BArch, R 8048/552, Bl.14.