Im Namen der Fasci
Hitlers Vorbilder: Mussolini und seine Schwarzhemden
Von Gerhard Feldbauer
Der Begriff des Faschismus entstand in Italien, wo führende Industrielle, Großagrarier und Militärs mit Unterstützung des Vatikans Mussolini bereits ein Jahrzehnt vor Hitler an die Macht brachten. Schon im Januar 1915 hatte der künftige »Duce« mit den Fasci d’Azione Rivoluzionario (revolutionäre Kampfbünde) eine faschistische Vorläuferorganisation gebildet. Damit wird deutlich, dass die Wurzeln des Faschismus bereits im Ersten Weltkrieg liegen und sein Machtantritt nicht durch die spätere »bolschewistische Gefahr« provoziert wurde.
Die Kampfbünde entfesselten gegen die Sozialistische Partei, die als einzige westeuropäische Sektion der II. Internationale Antikriegspositionen bezog, eine hemmungslose chauvinistische Hetze, um dem Kriegseintritt den Weg zu bereiten. Im Namen der Fasci waren zwei entgegengesetzte, von Mussolini aber bewusst gewählte Komponenten vereint: Damit wurde zum einen eben an jene Fasces, die um ein Beil geschnürten Rutenbündel der Liktoren, erinnert, die im alten Rom den Konsuln als Zeichen der Gewalt über Leben und Tod vorangetragen wurden. Als Fasci hatten jedoch auch die Unterdrückten in den Kämpfen des 18. und 19. Jahrhunderts ihre Organisationen bezeichnet. Aus den Fasci dei Lavoratori war im Jahre 1893 die Federazione Socialista Siziliens hervor gegangen.
Auch wenn der »Marsch auf Rom« erst im Oktober 1922 stattfand, so hatte der Mussolini-Faschismus doch bereits bei der Etablierung der Horty-Diktatur 1920 in Ungarn als Vorbild gedient, sodann des Zankow-Regimes 1923 in Bulgarien wie auch der militärfaschistischen Diktatur unter General Carmona de Fragoso 1926 in Portugal. Besonders nachhaltig jedoch wirkten sich Beispiel und Erfahrungen des römischen Faschismus auf die Formierung des deutschen bis zu dessen Machtantritt aus. Das zeigte sich im direkten Einfluss der »Führerpersönlichkeit« Mussolinis auf Hitler, auf die Entstehung der Strukturen seiner Bewegung und Kampfmethoden, besonders in der sozialen Demagogie und im Terror.
Auch in der Wahl des Namens NSDAP spiegelte sich Mussolinis Einfluss wider, der auf seine langjährige Karriere in der Sozialistischen Partei, u. a. bis 1914 Chefredakteur des »Avanti«, zurückgegriffen und seine Bewegung als sozialistisch und links getarnt hatte. Hitler nannte seine SA wörtlich nach den von Mussolini geschaffenen Squadre d’Azione, den Sturmabteilungen. Er übernahm den von Mussolini erfundenen Führertitel »Duce« und den »römischen Gruß«, den erhobenen rechten Arm. Ein unwesentlicher Unterschied bestand in der schwarzen bzw. braunen Farbe der Uniformhemden. »Das Braunhemd«, so räumte Hitler in seinen »Monologen im Führerhauptquartier« noch 1941 ein, als sich das Verhältnis zum »Duce« schon arg verschlechtert hatte, »wäre vielleicht nicht entstanden ohne das Schwarzhemd«. Und er gestand, dass Mussolini einmal für ihn »eine ganz große Persönlichkeit« darstellte.
Zeitgenössische deutsche Polizeiberichte vermerkten, Mussolinis Machtergreifung habe der NSDAP »eine besondere Schwerkraft« verschafft. Es gab in Deutschland keine andere Partei, die der des »Duce« in allen Belangen in gleicher Weise entsprochen hätte wie die Hitlerpartei. Führende Kreise des Industrie- und Finanzkapitals beeindruckte, wie der »Duce« dem italienischen Imperialismus in Gestalt der faschistischen Bewegung eine Massenbasis verschaffte. Hatten diese Kräfte in Deutschland bis dahin dazu geneigt, gestützt auf die Rechtsparteien und die militaristischen Verbände wie den Stahlhelm die Monarchie wieder zu errichten, orientierten sie sich nun auf eine bürgerliche Partei faschistischen Typs, wie sie Hitler im Begriff war aufzubauen. Ruhrschwerindustrielle um Thyssen und Stinnes begannen, Hitler und Ludendorff finanziell kräftig zu unterstützen, damit es diesen gelinge, nach dem Vorbild Mussolinis einen ebenso erfolgreichen »Marsch auf Berlin« durchzuführen. Thyssen äußerte bereits im September 1923, es müsse »ein Diktator gefunden werden, ausgestattet mit der Macht, alles zu tun, was nötig ist.« In seinen Kreisen orientierte man sich nun auf die römische Kombination von Putsch mit anschließender »legaler« Machtübergabe. Hitler sollte auf ähnlichem Wege an die Regierung gebracht werden. Die deutschen Faschisten konnten schließlich, als sie 1933 an die Macht kamen, nicht nur auf ein Jahrzehnt Erfahrungen der Mussolini-Diktatur zurückgreifen, sondern auch deren Schwächen auswerten.
Von unserem Autor, langjähriger Italien-Korrespondent, sind auf dem deutschen Buchmarkt erhältlich »Der Marsch auf Rom« und »Von Mussolini bis Fini. Die extreme Rechte in Italien«.
ND-ePaper – die digitale Ausgabe von Neues Deutschland
ePaper – 26. Januar 2008